Hillary Clinton und Christoph Amend in Berlin

Hillary Clintons Auftritt beginnt mit euphorischem Applaus. Als die frühere US-Außenministerin am Sonntagvormittag die Bühne des Schillertheaters in Berlin-Charlottenburg betritt, jubeln die Gäste. Die Hauptstadt und die Vereinigten Staaten von Amerika: Auch in Zeiten der nicht enden wollenden NSA-Affäre bleibt das eine schwer zu erklärende Liebesbeziehung.

Clinton ist in Berlin, um ihr neues Buch „Entscheidungen“ (Originaltitel: „Hard Choices“) vorzustellen. Es ist der einzige Auftritt der Demokratin in Deutschland. Eingeladen haben der Droemer-Verlag, in dem die deutsche Ausgabe erschienen ist, und das „Zeit-Magazin“. Chefredakteur Christoph Amend hat die schwierige Aufgabe, bei dieser Werbeveranstaltung Concierge und seriöser Fragesteller zu sein. Mal gelingt ihm das, mal nicht. Aber letztlich spielt das eine untergeordnete Rolle. Bei dieser Konversation gibt es eine Hauptperson, einen Star: Hillary Rodham Clinton.

Die 66-Jährige erzählt viele Episoden aus ihrer Zeit im Außenministerium und benutzt dabei oft den Titel den fast 900 Seiten dicken Buchs. Viele Entscheidungen seien hart und schwierig gewesen. Missen möchte sie diese nicht. „Sie haben mich bescheidener werden lassen.“ Dass sie nach den Attacken vom 11. September 2001 die Irak-Pläne des damaligen Präsidenten George W. Bush im Senat unterstützt habe, sei eine „falsche Entscheidung“ gewesen. Clinton sagt: „Es war schwierig zu sehen, dass ich einen Fehler gemacht hatte.“

Insgesamt sind die rund 70 Minuten eine Aneinanderreihung von Anekdoten aus Clintons Buch. Oft geht es um Kleidung (sie selbst trägt an diesem Tag einen strahlend blauen Hosenanzug), um Haare und Frisuren. Zu kritischen Nachfragen, die sie am Abend in der TV-Sendung von Günther Jauch beantworten muss, kommt in dem 1000-Sitze-Theater nicht. Über die NSA-Affäre sagt sie lediglich, dass das deutsch-amerikanische Verhältnis wichtig sei, und dass nun die „notwendigen Konsequenzen“ gezogen werden müssten. Das Handy der von ihr bewunderten Kanzlerin Angela Merkel sei tabu. Das Publikum nimmt es nickend zur Kenntnis.

Die Geschichten, die Clinton erzählt, sagen viel aus über die US-Politik. Sie erzählt, wie Barack Obama als designierter Präsident überraschend um ihre Mitarbeit in seinem Kabinett geworben habe. Nach der Wahl habe sie Obama zunächst zweimal abgesagt. Erst nach reiflicher Überlegung sei sie zu dem Entschluss gekommen, doch Außenministerin werden zu wollen. Diese Strategie habe sie übrigens schon einmal benutzt, so Clinton. Als Bill Clinton in den 1970er um ihre Hand angehalten habe, sei sie ebenfalls unsicher gewesen und habe zunächst zweimal abgesagt. Erst beim dritten Mal sagte sie zu. „Ich und diese charismatischen Männer“, sagt Clinton. „Ich sage erst einmal immer Nein.“

Clinton erklärt noch einmal die Hintergründe der Tötung Osama bin Ladens sowie das Zustandekommen des mittlerweile legendären Fotos im „Situation Room„. Der russische Präsident  Wladimir Putin ist für sie ein Cowboy, „mit und ohne T-Shirt“. Putin gebe sich stark, sei jedoch äußert dünnhäutig. Spätestens hier wird klar, welche Rolle der Sexismus noch immer in der weltweiten Diplomatie spielt. „Man nimmt ihn hin, aber daran gewöhnen darf man sich nicht“, sagt Clinton.

Im Anschluss erzählt sie eine Geschichte aus der Zeit, als Putin zwischen 2008 und 2012 Ministerpräsident seines Landes war. Während dieser Zeit war Clinton in Russland und traf sich neben dem damaligen Präsidenten Dmitri Medwedew auch Putin. Das Gespräch sei jedoch nicht in Gang gekommen, Putin habe desinteressiert gewirkt und gelangweilt. Clinton wies ihn daraufhin auf eine eine Gemeinsamkeit hin: das Interesse für die Erhaltung von Naturgebieten. Daraufhin habe Putin seine verdutzten Sicherheitsmänner weggeschickt und sei mit Clinton in sein Büro gegangen. Auf einer riesigen Karte habe er der Amerikanerin Russland gezeigt. Wenig später fragte er sie, ob ihr Mann Bill nicht Lust habe, ihn auf eine Expedition zu begleiten. Clinton sagte, dass sie das nicht wüsste, sie aber auch mitkommen könne. Putin habe kein Interesse gezeigt. Der Saal lacht.

18 Millionen Risse in der „gläsernen Decke“

Als sich das Interview dem Ende zuneigt, wendet sich Clinton dem Thema Frauenrechte zu. Sie spricht über die „gläserne Decke“, die sie mit ihrer Präsidentschaftskandidatur durchbrechen wollte, und über die kulturellen, religiösen und rechtlichen Widerstände gegen die Frauenrechte in vielen Ländern. Die 18 Millionen Stimmen, die sie während ihrer Kandidatur landesweite bekommen habe, seien Risse in der Glasdecke gewesen. Ähnlich äußerte sie sich bereits im Jahr 2008.

https://www.youtube.com/watch?v=Lm5hQDFfRvA

Natürlich weicht Clinton am Ende des Gesprächs Amends Frage nach einer möglichen Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2016 aus. „Ich schicke Ihnen eine E-Mail, wenn ich mich entschieden habe“, sagt Clinton. Sie wisse es zurzeit einfach noch nicht. Außerdem freue sie sich, dass ihre Tochter Chelsea bald ein Kind bekomme und ihre Eltern damit zu Großeltern mache.

Doch eine kurze Randbemerkung der „Hard Choices“-Autorin, ungefähr in der Mitte der Veranstaltung gefallen, lässt einen an dieser anscheinenden Unentschlossenheit zweifeln. Clinton erzählte, dass sie am Abend zuvor in London gewesen sei. Dort habe sie die Frage gestellt bekommen, ob es möglich sei, dass eine Großmutter US-Präsidentin werden könne. Das Publikum, ihr Publikum, staunte, Clinton selbst blieb locker. „Aber natürlich ist das möglich“, sagte sie. Zweifel? Fehlanzeige.

Amend beendet das Interview mit einer Steilvorlage für Clinton. Hollywood plane einen Film über ihr Leben, welche Schauspielerin wünsche sie sich eigentlich? „Meryl Streep“, sagt Clinton. Eine bessere Wahl gebe es nicht. Natürlich weiß Clinton, dass Streep 2012 für ihr Rolle der britischen Premierministerin Margaret Thatcher in „Die Eiserne Lady“ einen Oscar gewann. Was würde da besser passen als die Rolle der ersten US-Präsidentin?

Das Publikum versteht den Witz, lacht und klatscht ein weiteres Mal. Clinton verabschiedet sich, es gibt stehende Ovationen. Vor dem Saal liegt Clintons Buch aus. Es gibt lange Schlangen, die Verkäufer kommen mit den Rechnungen kaum nach.

Willkommen in Hillaryland – mitten im Westen Berlins.

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