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Life’s a Fitch! – wie der Shutdown Amerikas „soft power“ schwächt

Thomas Südhof hat letzte Woche den Medizin-Nobelpreis für seine Arbeit über zellulare Transportmechanismen erhalten. Er ist ein Forscher aus Deutschland, aber nicht in Deutschland. 1983 ist er in die USA ausgewandert. Das ist schon so lange her, dass er sich nicht sicher war, ob er überhaupt deutscher Staatsbürger sei. US-Medien sprachen einfach gleich von drei Amerikanern, die den Preis erhalten hätten.

Es gibt viele solche Geschichten in einem Land, das von Einwanderern aufgebaut und immer wieder neu belebt wurde: Talentierte junge Forscher werden angezogen von gut finanzierten Projekten, schnelleren Aufstiegschancen und der Möglichkeit, Forschungsergebnisse zügig zur Marktreife zu führen. Stell Dir vor, Du bist Wissenschaftler und kannst wählen: Kiel oder Harvard? Passau oder Berkeley? Eichstätt oder das MIT?

Amerika, Du hast es besser”, heisst es dazu bei Goethe. „Sexy“ bei Wowereit. Der Politiker und Politikwissenschaftler Joseph Nye nennt es „Soft power“. Nye meint damit den manchmal nur schwer messbaren Einfluss eines Landes durch die Strahlkraft seiner Kultur, seiner Ideen und seiner Institutionen. Die amerikanische Dominanz in der Popkultur, starke Marken und die Verheissung auf wirtschaftlichen Aufstieg. Der amerikanische Traum.

In den Sechziger Jahren waren das Elvis, Coca Cola, Radio Free Europe (finanziert aus dem Budget der CIA) und die Mondlandung. Aber auch die Bürgerrechtsbewegung, die bei wohlwollender Lesart die Selbstheilungskräfte der US-amerikanischen Demokratie gegenüber den eigenen Sünden verdeutlichte, stärkte letzten Endes weltweit das Ansehen der Supermacht. In den achtziger Jahren kamen Michael Jackson, Madonna und Carl Lewis. In den Neunzigern 90210 Beverly Hills, Baywatch, die Cicago Bulls und Bill Clinton (beim Saxophon spielen). Heute sind es Apple, Google, Jon Stewart und Obama (beim Singen und Basketball spielen).

Not convinced. Konservative und Soft Power

Soft Power bezeichnet also eher diffuse Einflussgrössen. Amerikas Konservativen fällt es traditionell schwer, dieses Konzept zu begreifen oder es für sich zu nutzen. Sie setzen auf die harte Macht des Landes, vertrauen auf Militär und Wirtschaftskraft. Beispiel Hollywood: Wertkonservative vermuteten schon so manches Mal  unamerikanische Triebe. Das ist nicht nur ironisch, weil mit Hollywoodmime Ronald Reagan der vielleicht populärste republikanische Präsident der Nachkriegszeit ist, sondern auch weil die amerikanische Filmindustrie seit Jahrzehnten eine feste Grösse amerikanischer Soft Power ist.

Während der Amtszeiten von Präsident Bush jr. und seinen neokonservativen Unterstützern zeigte sich die Missachtung für die sanfte Form des Einflusses überdeutlich. Amerikas Ansehen hat selten so gelitten wie durch die Bilder aus Abu Ghuraib, durch Guantanamo und die zur Schau getragene Geringschätzung von Falken wie Cheney, Rumsfeld und Wolfowitz für die Aussenwelt (und den politischen Gegner). Aber Hochmut kommt vor dem Fall. Mehr genötigt als umworben, in einen Krieg im Irak zu ziehen, liessen sich Bündnispartner von Berlin bis Ankara nicht überzeugen  und ohnehin halbherzig und zu spät ausgeführte Versuche, die „Herzen und Köpfe“ der Menschen im Nahen und Mittleren Osten zu gewinnen, waren zum Scheitern verurteilt. Was den Neokonservativen blieb, waren ein unheilvoller Alleingang im Irak und rhetorische Giftpfeile, wie „Freedom Fries“ oder „Old Europe“, die ihrerseits eher von Wagenburgmentalität als von Souveränität zeugten.

Ein Hauch der Kennedy-Ära

Fast forward 2008. Barack Obama. Der Kontrast des jugendlichen, schwarzen, Körbe werfenden Präsidenten zu den zornigen alten Männern der Bush-Administration hätte nicht grösser sein können. Plötzlich schien ein Ruck durch das Land zu gehen. Der junge Präsident verkörperte eine neue Generation und einen neuen Politikstil. Obama brachte dem Land wieder Optimismus und inspirierte Millionen von Menschen weltweit. Die amerikanische Demokratie zeigte sich von ihrer Sonnenseite. Für einen kurzen Moment schien es, als könne Obama im Alleingang das Ansehen der Vereinigten Staaten wiederherstellen. Ein Hauch der Kennedy-Ära wehte durch den Rosengarten des Weissen Hauses. „Once upon a time, there was a spot, for one brief shining moment, Camelot.”

Und es hätte so schön sein können: POTUS twittert, tötet Bin Laden, trifft Jay-Z und Beyoncé, bringt ein Baby dazu, nicht mehr zu weinen, besucht Jon Stewart, dissed Donald Trump beim White House Correspondents Dinner, tanzt mit seiner Frau, und hilft seinen Töchtern, im Garten des Weissen Hauses gesundes Gemüse zu ernten. So schön ist das Leben einer schwarzen Mittelklassefamilie seit der Bill Cosby Show nicht mehr insezeniert worden.

Aber da war noch was: Wirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit, tausende Zwangsräumungen bei Mittelklassefamilien, aussenpolitische Herausforderungen von Nordkorea und Iran über Bengazi und Ägypten bis hin zum Inselstreit zwischen Japan und China. Und natürlich die republikanische Partei, die – ansonsten ruderlos und ohne klaren Kurs – ihr Heil in der Fundamentalopposition gegen den Präsidenten und sein Gesundheitsreform sucht.

Soft Power im Belagerungszustand

Der Lack ist ab. Die schöne Illusion zerstört. Obama und seine Demokraten können nicht mehr auf den Vorgänger zeigen und rufen: Bush hat die Hausaufgaben gefressen. „I’m not anymore the strapping young muslim socialist that I used to be.“, hat Obama das selbst im Schwerz beschrieben.

Schwerwiegender als seine Entzauberung aber wiegt der Ansehensverlust, den die USA durch den Haushaltsstreit erleiden. Denn Softpower ist flüchtig geworden in einer Zeit, in der die Veröffentlichung eines Videos auf Youtube oder AlJazeera, ein Text auf Sina Weibo oder im Guardian die globale Meinung zum kippen bringen können. Und mit der anhaltenden und zunehmend unwürdigen Situation in Washington geht es um mehr als nur das Ansehen. Die Entwicklung hat vielmehr einen Punkt erreicht, wo die wirtschaftliche und politische Stärke des Landes leiden.

Hier einige Beispiele:

  • Präsident Obama konnte wegen des Haushaltsstreits nicht am APEC-Gipfel der 21 Anrainerstaaten des Pazifik teilnehmen. In China hielt sich die Trauer darüber in Grenzen. Das Entsetzen unter Experten dagegen nicht. Ken Lieberthal von der Brookings Institutions sprach von einer „Profoundly damaging message“. Mathias Brügmann nennt es im Handelsblatt ein “dramatisches Zeichen“.
  • Die Delegation der US-Regierung, die zu Verhandlungen im Rahmen des transatlantischen Freihandelsabkommens vergangene Woche nach Brüssel kommen wollte, hat die Reise abgesagt.
  • Laut Weltwirtschaftsforum betrachten amerikanische wie internationale CEOs die politische Instabilität („Deadlock“) seit Jahren als das grösste Problem des Landes. Das geht aus dem Global Competitiveness Report hervor.
  • Und jetzt hat die Ratingagentur Fitch den Ausblick für die USA zwar bei AAA belassen, aber auf negativ gesetzt und damit einen Warnschuss in Richtung Kreditwürdigkeit abgegeben.

Wer jetzt noch nicht sieht, wie eng sanfte und harte Macht miteinander verknüpft sind, muss nobelpreisverdächtig verrückt sein. Oder in der Tea Party.

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