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Warum die Republikaner eine Merkel brauchen

"When Angie was a punk rock girl ... "

Morgen auf den Tag genau vor 13 Jahren trat Wolfgang Schäuble als Partei- und Fraktionsvorsitzender zurück. Nach Wochen der Orientierungslosigkeit wurde Angela Merkel dann am 10. April 2000 auf dem CDU-Bundesparteitag in Essen zur neuen Bundesvorsitzenden gewählt. Sie erhielt 897 von 935 gültigen Stimmen. Eine innerparteilichen Revolution, geboren aus der Verlegenheit des Spendenskandals und der schmerzhaften Wahlniederlage der siegesverwöhnten CDU, war perfekt. Die katholische, männlich dominierte Partei mit ihren westdeutschen Kraftzentren wurde plötzlich von einer protestantischen Frau mit DDR-Biographie geführt. Soweit bekannt.

Wenn heute von den Verdiensten der Bundeskanzlerin die Rede ist, werden meistens das Krisenmanagement während der Finanzkrise genannt und in jüngster Vergangenheit ihre Führungsrolle bei der Bewältigung oder zumindest Eindämmung der Eurokrise. Auch vom relativ gesunden Arbeitsmarkt in Deutschland und den anhaltend hohen Ausfuhren profitiert Angela Merkel politisch. In Umfragen liegt sie regelmässig an der Spitze der Beliebtsheitsskala. In der Kritik steht Merkel – vor allem innerparteilich – wegen ihres Führungsstils, dem Ausschalten innerparteilicher Konkurrenz, dem vermeintlichen Vernachlässigen der konservativen Stammwähler und der Aufgabe des so genannten CDU-Markenkerns.

Genau das ist aber Angela Merkels grösster Verdienst.

Wären die innerparteilichen Kritiker von Merkel ehrlich, würden sie anerkennen: Der „Markenkern“ der CDU unter Helmut Kohl war Helmut Kohl. Und manches, was zu den Gewissheiten der BRD gehörte, ist heute schlichtweg nicht mehr mehrheitsfähig. Der Glaube, eine Bundeskanzlerin könne einen solchen Prozess gesellschaftlicher Moderinisierung aufhalten, ist schlichtweg falsch. Wichtiger noch: die Riege der männlichen, katholischen, westdeutschen Parteigranden, zuvorderst die Andenpaktierer, hat sich stramm konservativ gegeben, aber (alternativ: und) jeden Anstand vermissen lassen. Guttenberg, Wulff, Koch und Mappus haben durch ihr Fehlverhalten den bürgerlichen Idealen mehr Schaden zugefügt, als jede andere politische Kraft oder Person in Deutschland in den letzten Jahren. Bürgersinn und Konservatismus sind etwas anderes als geschredderte Festplatten, schwarze Kassen, krumme Kredite und falsche Titel.

Hier kommt die Republikanische Partei ins Spiel.

Über Obamas ersten Wahlsieg ist womöglich alles gesagt. Allen Fans und Hagiographen (ja, auch Du „Amerika Wählt“) sei aber nochmal ins Gedächtnis gerufen: Obamas Sieg wurde tatkräftig von der Gegenseite unterstützt. Acht wirtschaftlich, sicherheitspolitisch und vor allem moralisch desaströse Jahre unter Bush Jr., „mitfühlender Konservatismus“ gepaart mit Zynismus a la Dick Cheney und schlussendlich die Kandidatur der Hockey-Mum des Grauens, Sarah Palin, waren die besten Wahlhelfer, die sich ein demokratischer Präsidentschaftskandidat wünschen kann.

Bei den Wahlen im vergangen Jahr hat sich dieser Befund bestätigt. Die Republikaner boten in den Primaries mit Romney, Santorum, Gingrich und Ron Paul lediglich die Wahl zwischen verschiedenen Schattierungen religiösen Fundamentalismus. Weiß, wertkonservativ und kritisch gegenüber der Bundesregierung in Washington gaben sich alle. Die Quotenkandidaten Michele Bachmann und Hermann Cain waren zu diesem Zeitpunkt schon mit Tränen in den Augen oder mit Pokemon-Zitaten abgetreten.
Die zweite krachende Niederlage der republikanischen Partei, die ihren moderaten Flügel und damit auch ihren Kompass für merhheitsfähige, zeitgemässe Politik verloren zu haben scheint, sollte, so die Hoffnung einiger Kommentatoren zu einer politischen Erneuerung führen. Dieser Wunsch wurde bisher enttäuscht. Der Grand Old Party drohen jetzt „Jahre in der Wildnis“.

Wer aber soll die Republikaner aus der Wildnis führen? Für eine kraftvolle Erneuerung fehlt die integrative Führungspersönlichkeit, die das Mandat hat, alte Zöpfe abzuschneiden und den Willen, den Stammwählern geschätzte Feindbilder von Schwulen, Einwanderern und Frauen auszureden. Dass das so bleibt, dafür sorgen radikalisierte Strömungen in der Partei, die für sich in Anspruch nehmen, die „reine Lehre“ zu vertreten, wie die Tea Party oder Grover Norquists Steuertruppe „Americans for Tax Reform“. Gezielt werden Geldstöme an „loyale“ Abgeordnete gesteuert, Abweichler mit Negativkampagnen überzogen. Prominentests Beispiel, dürfte der Gouverneur New Jersey’s, Chris Christie, gewesen sein. Sein Lob für Obama und dessen schnelle und unkomplizierte Hilfe nach dem Hurrikan Sandy, brachten ihm harsche Kritik aus seiner eigenen Partei und vor allem konservativen Leitmedien ein.

Die routinierte Blockadepolitik im Kongress, die Verzögerungen bei der Ernennung der neuen Kabinettsmitglieder und die Rhetorik gegenüber Obama, die sich auch im republikanischen Mainstream kruder Feindbilder bedient, unterstreichen die Misere der Partei und lassen vermuten, dass die Republikaner zu alten Mustern übergegangen sind.

Anlass zu moderater Hoffnung bietet Marco Rubio. Er ist nicht nur Senator im wichtigen Swing-State Florida, sondern auch Sohn kubanischer Einwanderer und damit möglicherweise attraktiver für die wachsende und zumindest potentiell konservative Wählergruppe der Latinos. Dass er in einer Rede die republikanische Antwort zur State of the Union Address des Präsidenten geben durfte, zeigt seinen momentanen Stellenwert in der Partei.

Im Vergleich zu Angela Merkels politischer Karriere, erinnert das aber noch stark an die Phase, in der Angela Merkel noch von Helmut Kohl „mein Mädchen“ genannt wurde.

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