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Der US-Haushaltsentwurf – Ein Schauspiel der Verhandlungslehre

Wie so oft bei schwierigen Verhandlungen: Die Deadline für die Verhandlungen rückt drohend näher und ein Übereinkommen findet erst in den letzten Stunden oder gar Minuten statt. Wer die Debatte über den Haushaltsentwurf in den USA verfolgte, konnte einige Filetstücke der Verhandlungslehre erkennen:

Die Washington Post zog über die Verhandlungen folgendes Resümee: Es ist wie eine Prämisse, die sich durch die Geschichte der Amerikanischen Politik zieht: Dem Weißen Haus fehlt es an Verhandlungsgeschick, die Republikaner im Repräsentantenhaus sind in ihrem Handeln unvernünftig. So ist das Land gefangen zwischen Pragmatikern, die ihre Basis in der Fraktion nicht halten können und Radikalen die kompromissunfähig sind.

Weshalb ist das so? Werfen wir einen Blick auf die vergangenen Verhandlungen zum Fiscal Cliff:

Die Auseinandersetzungen um das Haushaltspaket war mehr als ein zwei Parteien-Konflikt, der zwischen Präsident Barack Obama und dem Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, ausgetragen wurde. Die beiden großen Parteien sind in sich so vielschichtig, dass die internen Verhandlungen mindestens genauso intensiv sind, wie die mit dem Gegenüber. Dies ist insbesondere bei den Republikanern aktuell eine Achillesverse. Deren interne Geschlossenheit hatte bereits im Verlaufe der US-Präsidentenwahl ziemliche Gräben zwischen den parteiinternen Streuungen offenbart.

Das klassische Harvard-Konzept der Verhandlungen spricht in diesem Zusammenhang von dem sogenannten “inside out” Problem. Um diesem Problem Herr zu werden muss die Verhandlungsführung in seiner Fraktion verschiedene Repräsentationsfragen klären. Welche Gruppen vertreten welche Interessen, mit welcher Präferenz und welcher Gewichtung? Wer spricht für welche Gruppen und wer ist Meinungsführer? Erst wenn diese Fragen geklärt sind, kann ein Verhandlungsziel und der Verhandlungsspielraum intern definiert werden. Dieses Verfahren ist bei Haushaltsdebatten besonders komplex, weil praktisch alle Politikbereiche miteinbezogen werden. Dies wird zusätzlich behindert, wenn radikale Bewegungen wie die Tea-Party in den eigenen Reihen keine umsetzbaren Lösungen anbieten.

Ein wichtiger Aspekt ist die Persönlichkeit der Verhandlungs- und Meinungsführer. Das Auftreten und die vergangene Zusammenarbeit von Politikern spielte bei der Haushaltsdebatte eine große Rolle. Zunächst war der Einbezug von Timothy Geithner als Verhandlungsführer von Barack Obama ein Angebot an die Republikaner. Geithner genoss ins seiner Funktion als Finanzminister parteiübergreifendes Ansehen und hatte bei den Republikanern einen besseren Stand als der Amtschef des Weißen Hauses, Jack Lew, der normalerweise solche Verhandlungen führt. Jedoch konnte Geithner das Misstrauen zwischen Obama und Boehner nicht ausräumen.

Obama, so wurde von den Republikanern vorgeworfen, wäre nach seinem Wahlsieg zu selbstsicher und zu konfrontativ in die Verhandlungen gegangen. In Boehner sahen die Demokraten anderseits keinen Garant für die Durchsetzung der Verhandlungsergebnisse in den eigenen Reihen. Bis Mitte Dezember waren daher praktisch keine Verhandlungsfortschritte zu erkennen. Schließlich waren es die Parteiveteranen Joe Biden und Mitch McConnel, die bereits seit langem als politische Traumkombination gelten, die die Verhandlungen mit altmodischen Hinterzimmerdeals wieder auf Trab brachten.

Das entscheidende Kriterium im Haushaltsstreit war jedoch das Batna (Best Alternative to Negotiated Agreement), die beste Alternative, die einem potentiellen Verhandlungsergebnis entgegensteht. In Verbindung zum enormen Zeitdruck und den chaotischen Zuständen auf dem Capitol Hill, von denen die Presse in den letzten Wochen berichtete, hatte das Batna die beiden Parteien schließlich in letzter Minute zu einem Verhandlungsergebnis geführt:

Die beiden Parteien steuerten letztlich auf zwei selbstgeschusterte Optionen zu: Entweder sie schaffen eine überparteiliches Verhandlungsergebnis mit allgemeiner öffentlicher Erleichterung oder sie scheitern und leben mit den Konsequenzen, die im Vorfeld drastisch formuliert wurden: Rezession, Herabstufung der Kreditwürdigkeit, höhere Zinssätze sowie katastrophale Folgen für die Weltwirtschaft. Eine ziemlich schlechte beste Alternative.

Noch schlechter sah diese Alternative zum Schluss für die Republikaner im Repräsentantenhaus aus: Der Senat hatte vor Neujahr das letzte Verhandlungsergebnis abgesegnet – da standen die republikanische Mehrheit und ihr Verhandlungsführer Boehner vor folgender Wahl: Entweder sie würden ihren Forderungen standhalten und weitere Budgetkürzungen dem Haushaltsentwurf hinzufügen. Damit wäre die Chance groß gewesen, dass der Entwurf definitiv gescheitert wäre – mit der Konsequenz, dass die republikanischen Abgeordneten die öffentliche Verantwortung für den höchsten Steueranstieg in der Amerikanischen Geschichte hätten übernehmen müssen. Oder sie konnten den Entwurf  des Senats annehmen. Das Ergebnis ist bekannt.

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